Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V.
Prinz-Albert-Str. 55, 53113 Bonn,
Fon 0228-21 40 32, Fax 0228-21 40 33
 

BBU

 

Home
Übersicht

Gemeinsame Pressemitteilung von BBU und Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen

 

SpitzenkandidatInnen sollen atompolitische Wahlprüfsteine beantworten / Bürgerinitiativen setzen Frist bis Ende April

(Bonn, Düsseldorf, Münster, 24.04.2012) Wie stehen die Parteien in Nordrhein-Westfalen zum Weiterbetrieb der Atomanlagen im bevölkerungsreichsten Bundesland? Zur Klärung dieser Frage hat der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) in enger Zusammenarbeit mit dem Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen stellvertretend für rund 30 Anti-Atomkraft-Initiativen und Umweltverbände Wahlprüfsteine an nordrhein-westfälische SpitzenkandidatInnen geschickt. Konkret wurden Dr. Norbert Röttgen (CDU), Hannelore Kraft (SPD), Sylvia Löhrmann (Grüne), Christian Lindner (FDP), Katharina Schwabedissen (Linke) und Dr. Joachim Paul (Piraten) bis Ende April um Stellungnahmen gebeten.

Schon vor der letzten Landtagswahl im Mai 2010 hatten Anti-Atomkraft-Initiativen und Umweltverbände einen Ausstiegsfahrplan für die Atomanlagen in NRW veröffentlicht und die Parteien mit konkreten Forderungen konfrontiert. Jetzt, zwei Jahre später, sind die Forderungen weiterhin hochaktuell, hinzugekommen sind drohende Transporte von Plutonium-Mischoxid-Brennstäben quer durch NRW Richtung Atomkraftwerk Grohnde (Niedersachsen). "NRW ist in den letzten zwei Jahren unter rot-grün dem Atomausstieg nicht näher gekommen", bilanziert daher das Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen. "Die Urananreicherungsanlage in Gronau wurde weiter ausgebaut, neben der Anlage wird eine Atommüllhalle gebaut und Urantransporte fahren nahezu wöchentlich durch ganz NRW", kritisiert Udo Buchholz, Vorstandsmitglied des BBU und Anwohner der Gronauer Uranfabrik.

Die atompolitischen Wahlprüfsteine machen deutlich, dass von Atomausstieg in NRW keine Rede sein kann, weder an den münsterländischen Atomstandorten Gronau und Ahaus noch an den Atomstandorten Duisburg, Krefeld und Jülich. NRW ist nach wie vor ein Zentrum der Atomindustrie. Doch die Atomenergie ist eine veraltete, höchst gefährliche und unverantwortliche Technologie, die neben der schleichenden Verseuchung zur Katastrophe führen kann. Außerdem werden Unmengen an hochbrisantem Atommüll erzeugt, der für Zehntausende von Jahren sicher gelagert werden muss. Urananreicherung, Atommüllkonditionierung und Zwischenlagerung zwischen Rhein und Weser verschärfen und verschleiern die Atommüllproblematik nur.

Felix Ruwe, der Sprecher der Bürgerinitiative "Kein Atommüll in Ahaus" erklärt: "Atompolitisch wurde in NRW nichts erreicht. Der Atomausstieg ist vielerorts in der Umsetzung, dabei entsteht sehr viel Atommüll aber es gibt noch kein Endlager in Deutschland! Jeder Atomstandort versucht derzeit, den Atommüll los zu werden. NRW hat für Atommüll immer noch Tür und Tor weit geöffnet, ohne eine absehbare Endlageroption." Die Mitarbeit der NRW Landesregierung beim „Endlagersuchegesetz“ wird von Ruwe "als sehr oberflächlich bis desinteressiert" beschrieben.

Die Bürgerinitiativen erwarten von den SpitzenkandidatInnen der Parteien Antworten darauf, wie in NRW der Atomausstieg konkret und verbindlich umgesetzt werden soll. In dem umfangreichen Fragenkatalog heißt es u. a.:

  • Wie stehen Sie zu den geplanten und jetzt verschobenen Castor-Transporten von Jülich nach Ahaus?
  • Sind Sie für die Schließung der Urananreicherungsanlage und wenn ja, wann?
  • Wie wollen Sie verhindern, dass am Standort Jülich weiterhin Forschung zur Atomtechnik (incl. Fusionsforschung, Zentrifugenproduktion etc.) stattfindet, obwohl Atomenergie keine Zukunft hat?
  • Wo verblieb und verbleibt der Atommüll, der in Krefeld angefallen ist?

Die Wahlprüfsteine mit allen Fragen können im Internet unter www.kein-castor-nach-ahaus.de nachgelesen werden. Unter dieser Internetadresse sollen auch die Antworten der Politikerinnen und Politiker veröffentlicht werden. Die Bürgerinitiativen sind gespannt, ob und wie umfangreich die Antworten ausfallen werden.

Für weitere Informationen: www.kein-castor-nach-ahaus.de; www.urantransport.de; www.duisburg-atomfrei.de, www.aku-gronau.de; www.westcastor.de; www.bbu-online.de.

Folgende Initiativen und Verbände unterstützen als ErstunterzeichnerInnen die atompolitischen Wahlprüfsteine:
•     Aachener Aktionsbündnis gegen Atomenergie
•     Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen
•     Aktionsbündnis Stop Westcastor
•     AntiAtomBonn
•     Antiatom-Bündnis-Niederrhein
•     AntiAtom-Euskirchen 
•     Anti Atomkraftbündnis Ruhr
•     Anti-Atom-OWL (Ostwestfalen Lippe)
•     Anti-Atom-Plenum Bochum
•     Arbeitskreis Energie des BBU
•     Arbeitskreis Umwelt (AKU) Gronau
•     Arbeitskreis Umweltschutz Bochum
•     Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU)
•     Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), Kreisgruppe Duisburg
•     Bürgerinitiative „Kein Atommüll in Ahaus“
•     Detmolder FORUM Energie - Klima – Zukunft
•     freischaffende atomkraftgegnerInnen moers/neukirchen-vluyn
•     Hamm gegen Atom
•     Klimabündnis Niederrhein
•     Menschen gegen Atomanlagen (MegA) Waltrop
•     Natur- und Umweltschutzverein Gronau (NUG)
•     Netzwerk-Energiewende-Wesel
•     SOFA (Sofortiger Atomausstieg) Münster
•     Strahlenzug Mönchengladbach
•     urgewald
•     Wegberger Montagsspaziergänger gegen Atomkraft

 

 

Der vollständige Text der Wahlprüfsteine

Wahlprüfsteine zur Atompolitik in NRW: „Atomausstieg jetzt – auch in NRW“

Kurz vor der Landtagswahl im Mai 2010 haben Anti-Atomkraft-Initiativen und Umweltverbände einen Ausstiegsfahrplan für die Atomanlagen in NRW veröffentlicht und die Parteien mit konkreten Forderungen konfrontiert. Zwei Jahre später sind die Forderungen weiterhin hochaktuell, hinzugekommen sind drohende Transporte von Plutonium-Mischoxid-Brenn-stäben quer durch NRW Richtung AKW Grohnde (Niedersachsen).

Ein Jahr nach Beginn der Atomkatastrophe in Fukushima tritt die übergroße Mehrheit in der Bevölkerung für eine Energiewende ohne Atomstrom ein. Aufgrund der großen Proteste musste die Bundesregierung statt der geplanten Laufzeitverlängerung acht Atomkraftwerke abschalten. Neun Atomkraftwerke sowie u. a. die Urananreicherungsanlage Gronau sind weiterhin am Netz und produzieren Tausende Tonnen Atommüll, ohne dass weltweit eine Lösung für eine Endlagerung in Sicht ist.

Unsere Wahlprüfsteine machen deutlich, dass von Atomausstieg in NRW keine Rede sein kann, weder an den Atomstandorten Gronau und Ahaus noch an den Atomstandorten Duisburg, Krefeld und Jülich. NRW ist ein Zentrum der Atomindustrie. Doch Atomenergie ist eine veraltete, höchst gefährliche und unverantwortliche Technologie, die zum GAU führen kann. Außerdem werden Unmengen an hochbrisantem Atommüll erzeugt, der für Zehn-tausende von Jahren sicher gelagert werden muss. Urananreicherung, Atommüllkondi-tionierung und Zwischenlagerung verschärfen und verschleiern die Atommüllproblematik nur.

Wir erwarten deshalb von den SpitzenkandidatInnen der Parteien und der kommenden Landesregierung konkrete Antworten darauf, wie in NRW der Atomausstieg konkret und verbindlich umgesetzt werden soll – NRW braucht keine Atomanlagen!

 

9-Punkte-Plan zum Atomausstieg in NRW

1. Einbringung einer Bundesratsinitiative für einen sofortigen Atomausstieg!

Mit großer Mehrheit hat der Bundestag ein neues Atomgesetz verabschiedet. Dieses bein-haltet letztlich den Weiterbetrieb von 9 Atomkraftwerken, der Brennelementefabrik Lingen und der Urananreicherungsanlage Gronau.

Fragen:

  • Wollen Sie dieses Atomgesetz wieder rückgängig machen, wollen Sie es dabei belas-sen oder setzen Sie sich für einen schnelleren oder gar sofortigen Atomausstieg ein?
  • Wollen Sie (weiterhin) Bürgschaften für AKW-Neubauten im Ausland unterstützen? Wie stehen Sie zu dem Export von Atomtechnologie (z. B. Kugelhaufenreaktoren aus NRW) und Brennstoffen (Urananreicherungsanlage Gronau)?

 

2. Keine neuen Atommülltransporte nach Ahaus !
Stattdessen: Verhängung eines vollständigen und endgültigen Einlagerungsstopps für das Leichtbau-Zwischenlager Ahaus!

Aktuell wurde jetzt von der Bundesregierung beschlossen, um das Zwischenlager in Ahaus eine 10 Meter hohe Betonmauer zu bauen.

Frage:

  • Sind Sie wie die Bundesregierung der Meinung, dass dieses die Sicherheit des Atom-lagers erhöht?

Aktuell wird regelmäßig schwach- und mittelradioaktiver Müll eingelagert. Ein Endlager ist aber nicht in Sicht.

Fragen:

  • Wie stehen Sie dazu?
  • Wie stehen Sie zu den geplanten und jetzt verschobenen Castor-Transporten von Jülich nach Ahaus?
  • Wollen sie etwas, und wenn ja was, gegen weitere Einlagerungen in Ahaus unternehmen?

 

3. Kein Weiterbetrieb der Urananreicherungsanlage Gronau und kein Bau eines Uranmüll-Zwischenlagers!
Stattdessen: Sofortige Stilllegung der Urananreicherungsanlage Gronau!

Die Proteste gegen die Uranfabrik in Gronau haben zugenommen. 15.000 Menschen demonstrierten am Tschernobyl Jahrestag 2011 in Gronau und vor wenigen Wochen protestieren 4000 Menschen vor der Anlage und erinnerten an die Atomkatastrophe in Fukushima. Die Uranfabrik in Gronau hat eine unbefristete Betriebserlaubnis und kann mittlerweile rund 10 % des Weltmarktes mit angereichertem Uran zur Brennelementefertigung beliefern.

 

Fragen:

  • Wie stehen Sie zur Zukunft dieser Anlage?
  • Sind Sie für die Schließung der Urananreicherungsanlage und wenn ja, wann?
  • Was wollen Sie nach der Landtagswahl konkret unternehmen, damit dieses Ziel erreicht wird?

Die Frage der Atommüllentsorgung ist völlig ungeklärt. In Gronau wurde im Sommer 2011 mit dem Bau eines „Zwischen“-Lagers für 60 000 Tonnen Uranoxid begonnen. Wo der Gronauer Uranmüll letztlich bleiben soll, ist völlig offen.

Frage:

  • Wo soll der Atommüll Ihrer Meinung nach sicher zwischen- und endgelagert werden? 

 

4. Kein Ausbau der Atommüll-Konditionierungsanlage in Duisburg und keine
Atommülltransporte nach Ahaus!
Stattdessen: sofortige Stilllegung der Atommüll-Konditionierungsanlage Duisburg!

Die Atomanlage in Duisburg-Wanheim steht am Rande eines Wohngebietes. Sie dient als „Entsorgungsnachweis“ für zahlreiche Atomanlagen – obwohl es kein Endlager gibt. Zahlrei-che  Atomtransporte finden jährlich von und zur Anlage statt. 

Fragen:

  • Wie sehen Sie die Zukunft dieser Anlage?
  • Was werden Sie in Bezug auf die Stilllegung der Anlage und den Stopp der Atom-transporte unternehmen?

 

5. Keine Castor-Transporte vom Forschungszentrum Jülich nach Ahaus, keine riskanten Experimente mit dem AVR-Reaktorbehälter und ein Ende der Atomforschung zum Bau und Weiterbetrieb von Atomanlagen (z. B. Hochtemperatur-Reaktoren und Zentrifugen zur Urananreicherung)!
Stattdessen: vollständige Dekontaminierung des Reaktorgeländes in Jülich, eine umfassende Aufklärung früherer Störfälle sowie die Stilllegung aller Atombetriebe in Jülich (z. B. Gesellschaft für Nuklear-Service und ETC (Urenco/Areva)!

Die Castortransporte von Jülich nach Ahaus sind verschoben, aber nicht endgültig abgesagt.

Fragen:

  • Sind Sie für oder gegen die Atommülltransporte?
  • Was werden Sie konkret in der Landesregierung unternehmen, um die Transporte zu verhindern?
  • Was soll mit dem AVR-Reaktor in Jülich passieren?
  • Was tun Sie zur Aufklärung früherer Störfälle im AVR-Reaktor?
  • Was werden Sie unternehmen, damit sich das Forschungszentrum und die Anteilseigner des Forschungszentrums (Bund und Land) vorrangig um die schadlose Beseitigung der atomaren Hinterlassenschaften kümmern?
  • Wie wollen Sie verhindern, dass am Standort Jülich weiterhin Forschung zur Atomtechnik (incl. Fusionsforschung, Zentrifugenproduktion etc.) stattfindet, obwohl Atomenergie keine Zukunft hat?

 

6. Stilllegung des Nuklearbereiches der Fa. Siempelkamp in Krefeld

Die Fa. Siempelkamp ist eng mit dem nuklear-industriellen Komplex verbunden. Sie ist als Produzent z. B. von Castor-Behältern seit Jahren Teil der Atomspirale.  

Frage:

  • Wie stehen Sie dazu, dass mit der Produktion von Castor-Behältern in NRW letztlich der Weiterbetrieb von Atomkraftwerken begünstigt wird?  

Ohne atomrechtliches Genehmigungsverfahren betreibt die Fa. Siempelkamp CARLA, eine Schmelzanlage für radioaktiv kontaminierte Reststoffe.

Fragen:

  • Wie sieht aus Ihrer Sicht die Zukunft dieser Anlage aus?
  • Wo verblieb und verbleibt der Atommüll, der in Krefeld angefallen ist?

 

7. Verbindliche Durchführung einer langfristigen Kinderkrebsstudie und Erstellung eines öffentlichen Krebsregisters für alle jetzigen und ehemaligen NRW-Atomstandorte!

Seit Jahren fordern Anti-Atomkraft-Initiativen eine umfassende und öffentliche Kinder-krebsstudie für alle Atomstandorte in NRW! Berichte über Häufungen von Krebsfällen in Hamm und Jülich sorgen immer wieder für Verunsicherung.

Frage:

  • Werden Sie zu Beginn der neuen Legislaturperiode des Landtags in einer Landes-regierung eine solche Studie konkret in Auftrag geben und gleichzeitig ein Krebs-register zur langfristigen Erfassung aller Verdachtsfälle einrichten?

 

8. Kein Einsatz von Plutonium-Mischoxid-Brennelementen in deutschen AKW! Kein Transport der MOX-Brennelemente quer durch NRW zum AKW Grohnde! Stattdessen: Verhinderung von Atomtransporten durch NRW!

Im AKW Grohnde sollen demnächst plutoniumhaltige Mischoxid-Brennelemente eingesetzt werden, die Transporte sollen über belgische Häfen und danach über die Autobahnen quer durch NRW abgewickelt werden.

Frage:

  • Was werden Sie tun, um den Einsatz der MOX-Brennelemente und die Transporte durch NRW zu verhindern?

 

9. Auflösung und Dezentralisierung der großen Energiekonzerne! Umstieg auf eine dezentrale, demokratische umwelt- und sozialverträgliche Energieversorgung aus erneuerbaren Energien!

Die Monopolstellung der jetzt noch vier großen Energiekonzerne hat in den letzten Jahrzehnten zu einem massiven Ausbau der Atomenergie und Kohleverstromung geführt, aber nur wenig zur Entwicklung der erneuerbaren Energien. Riesige Gewinne haben die Taschen einiger weniger Konzerne gefüllt und gleichzeitig die Bevölkerung atomaren Gefahren und einer drohenden Klimakatastrophe ausgesetzt. Daher ist diese großtechnische Form der Energiegewinnung nicht mehr zeitgemäß.

Frage:

  • Wie stehen Sie zu unserer Forderung nach Auflösung dieser Konzern- und Machtstrukturen hin zu einer radikalen Energiewende mit dem Ziel einer dezentralen, BürgerInnen nahen und umweltverträglichen Energieversorgung?